Pferdehaltung
Forderungen an eine artgerechte Haltung sind nicht einfach aus der Luft gegriffen.
Nach § 2 des Tierschutzgesetzes muß, wer ein Tier hält, es seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen, und er darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, daß ihm Schmerzen, vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden.
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Tierschutz-Gesichtspunkte
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Beim Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft sind die Leitlinien zur Beurteilung von Pferdehaltungen unter Tierschutzgesichtspunkten zu beziehen.
Die Leitlinien können beim
Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Rochusstaße 1
Referat Tierschutz
53123 Bonn
Internet: www.verbraucherministerium.de
bezogen werden.
Die Landwirtschaftskammer NRW bietet auch online Tipps zur Pferdehaltung.
u.a. zu folgenden Themen:
- kniffeliges Bauverfahren für einfache Hütten
- der Weidezaun in voller Länge
Die Tipps für Pferdehalter finden Sie hier:
www.landwirtschaftskammer.de/verbraucher/Pferde/
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Einige Überlegungen aus Sicht des Tierschutzes
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- Soziale Kontakte Die Einzelhaltung eines Pferdes ohne Sozialpartner ist nicht verhaltensgerecht.
- Körperpflege Das Pferd braucht Körperpflege um sich wohl zu fühlen.
- Hufpflege Ohne Huf kein Pferd! - Die Gesunderhaltung der Hufe ist eine (von vielen) wichtigen Anforderungen an den Pferdehalter
- Bewegung Das Pferd ist von Natur ein Schritt-Tier, dass sich bis zu 16 Stunden langsam bewegt. In unserer Haltung müssen wir demnach dem Pferd zusätzliche Bewegung (neben Reiten, Fahren etc.) verschaffen.
- Weide Dem Pferd ist so häufig als möglich Weidegang zu gewähren, da es seinem natürlichen Lebensraum am ehesten entspricht.
- Futter- und Futteraufnahme Das Futter muß dem Bedarf des Pferdes entsprechen. Zur artgemäßen Ernährung des Pferdes gehört ein ausreichender Teil an strukturiertem Futter. Besteht kein freier Zugang zum Raufutter, muß es mindestens dreimal täglich verabreicht werden.
Futteraufnahme ist auch Beschäftigung!
- Stallklima Die Atemwege des Pferdes reagieren auf Staub und Schadstoffen sehr empfindlich!
Für ausreichende Frischluftversorgung und angemessene Luftzirkulation muß gesorgt sein. Staub- und Keimgehalt, relative Luftfeuchte und Schadgaskonzentration müssen in einem Bereich gehalten werden, der für die Pferdegesundheit unbedenklich ist.
- Aus der Sicht des Tierschutzes ergeben sich viele Anforderungen an der Tierhalter:
Durch entsprechendes Management muß eine artgerechte Haltung sichergestellt werden.
u.a. muß jedem Pferd ausreichend Bewegung verschafft werden, eine tägliche Kontrolle auch hinsichtlich von Krankheitsursachen mit anschließender rechtzeitiger Hinzuziehung eines Tierarztes, ausreichende Fütterung, und entsprechender Erziehung, damit entsprechende Pflegemaßnahmen und Untersuchungen überhaupt möglich sind.
Bei der Gestaltung der Haltungsmöglichkeiten sollten entsprechende Richtmaßen hinsichtlich Grundfläche der Laufställe bzw. von Abtrennungen etc. bekannt sein und als Mindestvorgaben eingehalten sein.
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Überall wird von artgerechter Haltung gesprochen - aber wann ist Pferdehaltung artgerecht?
Unter artgerecht versteht man Haltungs- (und Umgangsformen), die sich an den spezifischen Bedürfnissen und Verhaltensweisen einer Tierart orientieren. Seit einigen Jahrzehnten setzt sich zunehmend die Erkenntnis durch, dass auch der Mensch von der artgerechten Haltung unserer Haustiere profitiert. Unsere Haustiere sind dauerhaft gesünder, langlebiger und leistungsfähiger, je besser ihre Umgebung derjenigen entspricht, an die sich die Art entwicklungsgeschichtlich angepasst hat.
Das Pferd wird als Lauf-, Herden- und Fluchttier charakterisiert, es hat sich über etliche Entwicklungsstufen an seine Umweltbedingungen angepasst und sich auf eine Lebensweise als Steppentier spezialisiert. Wie alle hoch spezialisierten Arten ist es dadurch anfällig geworden für Umwelteinflüsse, die stark von den ursprünglichen abweichen.
Ein freies Leben in der Steppe können wir unseren Haus- und Reitpferden natürlich niemals bieten, aber die daraus entstandenen Bedürfnisse können wir erkennen und weitestgehend auch unter hiesigen Bedingungen befriedigen.
Artgerecht heißt also nicht "genau so wie in freier Wildbahn" - was leider häufig missverstanden wird und dann Matschkoppeln oder überbevölkerte Paddocks zur Folge hat.
Artgerecht bedeutet vielmehr "so, dass die arteigenen Ansprüche möglichst gut erfüllt werden". Wo nötig wird passender Ersatz für fehlende natürliche Bedingungen geschaffen. Einfache Maßnahmen können der freie Blick nach draußen sein oder die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit dem Nachbarpferd. Um dauerhaft psychisch und physisch gesunde Pferde zu haben, ist natürlich die Gesamtheit der Bedürfnisse zu berücksichtigen!
Was sind die zentralen Bedürfnisse eines Pferdes?
Kurz gesagt benötigt das Pferd aufgrund seiner Entwicklungsgeschichte und Spezialisierung vor allem:
- Licht
- Luft
- Bewegung
- Sozialkontakt
- Futteraufnahme
Im einzelnen:
Licht:
Mit Licht ist hier Sonnenlicht /Sonneneinstrahlung gemeint - wegen des UV-Anteils, der auch bei bedecktem Himmel vorhanden ist. Stoffwechsel und Fruchtbarkeit sind abhängig von der Tageslichtdauer. Der Licht-Bedarf des Pferdes ist dabei höher als beim Menschen und für uns deshalb häufig nicht leicht verständlich.
Temperatur:
In direktem Zusammenhang mit der Sonneneinstrahlung steht auch die Umgebungstemperatur. Pferde haben eine sehr große Temperaturtoleranz und können sich an jahreszeitliche und tageszeitliche Schwankungen leicht anpassen - es sei denn, diese Fähigkeit ist durch langjährige Stallhaltung und regelmäßiges Eindecken verkümmert. Sonnenlicht und Temperaturreize sind entscheidend für ein gut funktionierendes Immunsystem.
Luft:
Saubere, frische Luft zum Atmen ist für Pferde mindestens genauso wichtig, wie für uns. Entscheidend ist ein ausreichender Sauerstoffgehalt und die Abwesenheit von Schadgasen (Ammoniak) und Schadstoffen (Schimmelsporen) - wie sie in Mist und Einstreu entstehen. Hinzu kommt, dass Pferde für die Gesunderhaltung des Atmungsapparats ihre Lungen trainieren müssen und folglich viel Bewegung an der frischen Luft benötigen. Das Pendeln zwischen geschlossenem Stall und staubiger Reithalle reicht dazu nicht aus!
Viele Besitzer schützen Ihre Pferde übertrieben ängstlich vor Zugluft. Pferde sind jedoch ausgesprochen widerstandsfähig gegen Luftbewegung und im Gegenteil, sogar in gewissem Maße darauf angewiesen. Wichtig hierbei ist lediglich, dass der gesamte Köper vom Luftstrom getroffen wird und nicht nur kleine Körperpartien (wie bei punktuellem Zug). Dann nämlich kann das Pferd seine körpereigene Temperaturregulation daran anpassen.
Selbst bei verschwitzten Pferden ist es wichtiger, Fellfunktion und Körpertemperatur zu normalisieren, anstatt mit einem dauerhaften Kälteschutz (Stall und Decke) den Stoffwechsel zu beeinträchtigen.
Bewegung:
Der Bewegungsapparat des Pferdes ist darauf ausgerichtet, dass es den ganzen Tag immer wieder kleine Schritte macht - 16 Stunden am Tag beim Grasen. Zusätzlich werden in der Natur größere Wegstrecken bewältigt oder die Flucht ergriffen. Hufe und Gelenke brauchen diese ständige "Benutzung", damit Blutzirkulation und Austausch der Gelenkflüssigkeit gewährleistet sind. Auch Muskeln, Sehnen und Bänder werden dadurch elastisch erhalten. Untersuchungen haben gezeigt, dass sich Pferde in Gruppenhaltung (Offenstall, Paddock, Weide) 3-10 km pro Tag fortbewegen.
Hierbei ist die Art des Untergrundes nicht unerheblich - tief aufgewühlter Matsch oder glatter Betonboden sind verletzungsträchtig, insbesondere wenn große Flächen zum Rennen einladen und Alternativen fehlen.
Tipp: Teilbereiche mit Hackschnitzel- oder Sandbelag werden von den Pferden gut angenommen, auch wenn für stark frequentierte Wege aus arbeitswirtschaftlichen Gründen andere Befestigungen bevorzugt werden.
Sozialkontakt zwischen Artgenossen:
Das Herden- und Fluchttier Pferd fühlt sich nur in Gesellschaft anderer Pferde sicher. Die Herde bot ursprünglich Schutz gegen Fressfeinde. Aber das Zusammenleben erfordert gewisse Regeln - wie z.B. das Einfügen in eine Rangordnung, das Verstehen von Drohgebärden, das Beherrschen von Demutsgesten. Die passenden Verhaltensweisen können am besten vom Jungtier in Gesellschaft erlernt werden. Erwachsene Pferde können dies nur unvollständig nachholen.
Pferde, die ein unzureichendes Sozialverhalten gelernt haben, sind häufig zerrissen zwischen dem angeborenen Herdendrang und ihrer Angst vor dem Verhalten anderer Pferde. Dadurch stehen sie beständig unter Stress. Beengende Haltungsbedingungen (Boxenhaltung oder enge Paddocks) verursachen ebenfalls Stress - sie erzwingen eine zu geringe Individualdistanz gegenüber ranghöheren Pferden. Die Folgen sind vermehrt aggressives Verhalten und erhöhte Verletzungsgefahr.
Viele Halter kennen ihre Pferde nur unter diesen beengten Bedingungen bzw. in Gruppen ohne gefestigte Rangordnung. Dadurch hält sich hartnäckig der Irrtum, dass Herdenhaltung automatisch Stress und Verletzungsgefahr für die Pferde bedeutet. Aber die dauerhaft auferlegte Isolierung von den Artgenossen kann keine Lösung im Sinne des Pferdes sein. Viele so genannte Stall-Untugenden entstehen ursächlich durch Mängel in der Haltung, der Vergleich zu Hospitalismus beim Menschen ist durchaus angebracht.
Viele Pferde werden in Boxen gehalten - woher kommt das und ist diese Haltungsform heute noch angemessen?
Solange das Pferd Nutz- und Arbeitstier war wurde es so untergebracht und genutzt, wie es den Bedürfnissen der Besitzer am besten entsprach. Man darf nicht vergessen, dass das Pferd bis vor wenigen Jahrzehnten, Maschinen und Fahrzeuge ersetzte und vor allem Mittel zum Zweck war - sei es landwirtschaftlich oder militärisch. Deshalb war eine Unterbringung auf begrenztem Raum im Stall nötig, um schnellen Zugriff zu haben und den Aufwand bei Pflege und Versorgung gering zu halten. Diese Haltungsform war zu ihrer Zeit sehr effizient. Viele Bedürfnisse der Arbeits-Pferde waren ganz automatisch durch ihre Nutzung sehr viel besser befriedigt, als es heute bei Freizeit- und Sportpferden der Fall ist.
Die traditionelle Boxenhaltung erfüllt heute vielfach die arteigenen Ansprüche nicht mehr in ausreichendem Maße. Diese Form der Unterbringung war ursprünglich ja auch nicht dazu konzipiert, das Pferd dort dauerhaft "abzustellen" - schließlich war es ja den ganzen Tag unterwegs.
Unsere Pferde warten heute den überwiegenden Teil des Tages in der Box auf ihren kurzzeitigen Einsatz. Um den notwendigen Ausgleich zu schaffen, ist über den Tag verteilt viel Zeit aufzubringen - das Pferd "bewegen", auf die Koppel bringen und wieder herein holen, dabei auf Futterzeiten, Witterungsbedingungen und den Zeitplan des Weidegefährten achten, ... . Die wenigsten von uns haben heute dazu Zeit und Lust.
Wie können die Bedürfnisse von Pferdehaltern und Pferden in Einklang gebracht werden?
Heutzutage sind Pferde meistens Freizeitpartner und werden entweder in Eigenregie gehalten oder auf spezialisierten Höfen eingestellt. In der Regel legt der Pferdebesitzer Wert darauf, dass sein Pferd leicht "zugänglich" ist, individuell versorgt werden kann und die Routine-Tätigkeiten mit möglichst wenig Zeitaufwand verbunden sind.
Häufig sind verschiedene Personen rund um das Pferd beschäftigt - Besitzer, Reiter, Pflegepersonal. Hierbei sind die Vor- und Nachteile diverser Haltungsformen auf die einzelnen Beteiligten unterschiedlich verteilt.
Bedürfnisse des Reiters/Besitzers:
- trockene, geräumige und gut belüftete Arbeits-, Lager- und Aufenthaltsbereiche
- sauberes, trockenes Pferd, wettergeschützte Abschwitzmöglichkeit
- kurze Wege, schneller Zugriff auf´s Pferd
- praktische Arbeitsabläufe beim Putzen, Satteln und Versorgen
- sichere Unterbringung des Pferdes ohne Ausbruchs- und Verletzungsrisiko
- Sauberkeit und Ästhetik auf der Anlage
- gesunde, gelassene und leistungsfähige Pferde
Bedürfnisse des Pflegers:
- Einfache, effiziente Arbeitsabläufe beim Füttern und Misten für eine große Anzahl von Pferden
- kurze Wege ohne Hindernisse wie Türen und Tore, die wegen der Pferde geschlossen gehalten werden müssen
- Abstand zum Pferd beim Hantieren mit Werkzeugen und Futter, baulicher Arbeitsschutz
- Sicherheit im direkten Umgang mit den Pferden (z.B. Triebwege statt Führen, Füttern von außen)
Die Bedürfnisse des Pferdes und der unterschiedlichen Menschen können am besten schon durch die geschickte Planung der baulichen Gegebenheiten in Einklang gebracht werden. Hier kann man sich z.B. auch das natürliche Verhalten der Pferde zu nutze machen. Pferde legen gewohnte Wege oft selbständig zurück und kommen zu Futterzeiten gern in den Stall. Viele Arbeiten sind auch schneller und leichter zu erledigen, wenn einem dabei die Pferde nicht "im Weg stehen", oder wenn man z.B. mit Futter nicht in die Box oder den Auslauf hinein muss.
Insbesondere bei gut durchdachter Offenstall-Haltung lässt sich eine große Anzahl unterschiedlichster Pferde mit geringem Aufwand versorgen. Außerdem können hier in nahezu idealer Weise die Bedürfnisse der Pferde erfüllt werden, so dass sich auch der Zeitaufwand für Pflege und Bewegung auf ein Minimum reduziert. Dadurch ist die Zeit mit dem eigenen Pferd tatsächlich eine entspannte Freizeitbeschäftigung und wird nicht so schnell zur lästigen Pflicht.
Entscheidend für eine gut funktionierende Gruppenhaltung und die individuelle Versorgung der einzelnen Tiere ist es, Verhaltensweisen zu kennen und zu berücksichtigen. Viele Beispiele aus der Praxis zeigen hier interessante Möglichkeiten.